Keine Gewährleistungsansprüche ohne Mängelanzeige!

 

1. Der Auftraggeber kann keine Gewährleistungsansprüche geltend machen, wenn er den behaupteten Mangel nicht ordnungsgemäß anzeigt. Der Mangel muss zumindest hinsichtlich seines äußeren objektiven Erscheinungsbildes so genau beschrieben werden, dass der Auftragnehmer zweifelsfrei ersehen kann, was im Einzelnen beanstandet bzw. welche Abhilfe von ihm verlangt wird.

2. Die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen setzt im VOB/B-Vertrag eine fristgebundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung voraus.

 

OLG Naumburg, Urteil vom 25.06.2022 – 2 U 63/18 BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 187/22 (NZB zurückgewiesen)

 

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin K macht gegen die Beklagten BK1 und BK2 u.a. Gewährleistungsansprüche geltend, und zwar gegen BK1 aus einem Vertrag über die Errichtung eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) und gegen BK2 aus einem Vertrag über Ingenieurleistungen. Nach dem Inhalt der LB war das BHKW in drei Teilbereiche TB1-TB3 gegliedert, und zwar Energieumwandlung (TB1), Abgasstrecke (TB2) und Schornsteinanlage mit Kamin (TB3). Im TB1 sollten unter einer Schalldämmhaube fünf Gasmotoren Strom erzeugen, der über einen Blocktransformator in das Mittelspannungsnetz eingespeist werden sollte. Im TB2 war je Modul eine Heißluftstrecke mit je einem Primärschalldämpfer und einem Sekundärschalldämpfer sowie ein Abgaswärmetauscher vorgesehen, u.a. zur Erhitzung von Wasser für die Fernwärmeversorgung. Das dort gekühlte Abgas sollte aus allen fünf Modulen gemeinsam in den TB3 geleitet werden. Die BK1 führte die beauftragten Bauleistungen 1997 durch. Die förmliche Abnahme der Werkleistungen der BK1 erfolgte Ende 1997. Dabei wurde protokolliert, dass Bestandteil der förmlichen Übergabe die beiliegende Restpunkteliste sei und sich die BK1 verpflichte, die dort aufgeführten Maßnahmen abzuarbeiten. Die Abnahme umfasste alle fünf Module, obwohl nur vier Module den Probebetrieb erfolgreich abschlossen; das Modul 2 wurde trotz der bis zum Jahresende 1997 nicht behobenen Störung ebenfalls abgenommen. Mit ihrer am 30.12.2003 beim Landgericht eingereichten Klage hat die K gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner u.a. einen Zahlungsanspruch von 998.391,23 Euro geltend gemacht. Die K hat u.a. die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Bauvertrag mit der BK1 ergebe, dass sämtliche Nachbesserungsarbeiten der BK1 zwar in einem gemeinsamen förmlichen Abnahmetermin abzunehmen seien und erst danach der Lauf der Verjährungsfrist für diese Anlagenteile beginne. Zu diesem Abnahmetermin sei es letztlich nicht gekommen, weil das BHKW nicht alle Leistungsparameter erfüllt habe. BK1 hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat Beweis erhoben über einen Teil der Mangelbehauptungen der K durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen. In seinem Urteil hat das Landgericht Gewährleistungsansprüche gegen die BK1 für alle Mängel verneint. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die insoweit keinen Erfolg hat.

 

 

Aus den Gründen

 

Die Berufung der Klägerin hat zu den Gewährleistungsansprüchen keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass die K gegen die BK1 keine Gewährleistungsansprüche aus ihrer Vertragsbeziehung zu BK1 durchsetzen kann. K hat gegen BK1 ungeachtet der Einrede der Verjährung keinen Anspruch auf Schadensersatz bezüglich der Kosten für die Anschaffung zusätzlicher Tischkühler, der Kosten für die Beseitigung der fehlerhaften Signalweiterleistung bei der Frequenzumformung und der Kosten für den Neubau der Schornsteinanlage. Gleiches gilt bezüglich der fehlenden Leistungsnachweise des elektrischen und thermischen Wirkungsgrades der Gesamtanlage. Außerdem besteht kein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Demontage des Mündungsschalldämpfers. Für einen Gewährleistungsanspruch der K gegen BK 1 wegen unzureichender Leistungsfähigkeit der Tischkühler fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung eines Sachmangels, jedenfalls an dessen Nachweis. Unabhängig davon ist der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der fiktiven Aufwendungen für die Anschaffung weiterer Tischkühler zur Mangelbeseitigung aus rechtlichen Gründen und deswegen nicht durchsetzbar, weil inzwischen wegen des Abrisses des BHKW eine Nachrüstung nicht mehr in Betracht kommt. Selbst wenn ein Sachmangel der von der K behaupteten Art zur Zeit der Abnahme der Werkleistungen der BK 1 vorgelegen hätte, wäre ein Anspruch der K auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten nicht in Betracht gekommen, denn die Mangelbeseitigung ist inzwischen unmöglich geworden. Das BHKW wurde bereits abgerissen, so dass eine Nachrüstung des Teilbereichs Energieumwandlung nicht mehr in Betracht kommt. Die K hat trotz des ausdrücklichen Hinweises des Senats auf diesen Umstand ihren Klageantrag nicht angepasst. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass ein Anspruch nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 oder Abs. 2 VOB/B (1996) auf Ersatz der fiktiven Mangelbeseitigungskosten auch aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht gekommen wäre. Auch hierauf ist die Klägerin ausdrücklich hingewiesen worden. Der BGH hat insoweit seine bisherige Rechtsprechung zur Bemessung des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten ausdrücklich aufgegeben. Diese Rechtsfrage ist vor dem Senat erörtert worden. Die K hat ihre Klagebegründung nicht entsprechend abgeändert. Die K kann gegen die BK1 auch Gewährleistungsansprüche wegen einer unzureichenden Frequenzumformung nicht mit Erfolg geltend machen. Die Klägerin hat den erstmals im Verfahren bezeichneten Mangel schon nicht ordnungsgemäß angezeigt. Ihre damaligen Ausführungen beschränkten sich darauf, dass Oberwellen, welche bei der Frequenzumformung entstehen, nicht ordnungsgemäß abgeleitet werden würden, wodurch beim Betrieb des BHKW »die Messwerte« beeinträchtigt würden. Diese Anzeige ist weder nachvollziehbar noch einlassungsfähig gewesen; mit ihr sind die Anforderungen an eine Mangelanzeige nicht erfüllt worden. Es ist nicht erkennbar, in welchem Bereich der Anlage derartige Frequenzumformungen auftreten, welche Soll-Beschaffenheit nach dem Vertrag geschuldet gewesen sein soll und wie bzw. inwieweit die Ist-Beschaffenheit hiervon abweichen soll oder welche Messwerte beeinträchtigt sein sollen. Der Mangel muss zumindest hinsichtlich seines äußeren objektiven Erscheinungs­bildes so genau beschrieben werden, dass der Auftragnehmer zweifelsfrei ersehen kann, was im Einzelnen beanstandet wird bzw. welche Abhilfe von ihm verlangt wird. Selbst wenn der Senat das weitere Klagevorbringen der K als eine nachvollziehbare Mangelanzeige qualifizieren würde, so wäre diese erst nach Klageerhebung erfolgt. Diese Mangelanzeige war aber jedenfalls nicht mit einer nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (1996) vorausgesetzten fristgebundenen Aufforderung zur Mangelbeseitigung verbunden, sondern unmittelbar mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatz der fiktiven Mangelbeseitigungskosten bei Selbstvornahme. Dieser Anspruch wäre mangels eines – auch nicht entbehrlichen – Mangelbeseitigungsverlangens mit angemessener Fristsetzung unbegründet. Schließlich gilt auch im Hinblick auf diesen Mangel, dass ein Anspruch auf Ersatz von voraussichtlich erforderlichen, aber nicht aufgewandten, also fiktiven Mangelbeseitigungskosten nach der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeschlossen ist; eine Umstellung der Klagebegründung ist trotz entsprechenden Hinweises nicht erfolgt. Soweit die Klageforderung auch einen Teilbetrag für den Neuaufbau der Schornsteinanlage enthält, ist die Klage unschlüssig, jedenfalls kommt auch insoweit ein Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Auch diesen Mangel hat die K erst im Laufe des Verfahrens geltend gemacht. Die K selbst leitete jedoch aus diesem Mangel keinen Anspruch auf Neuherstellung der Schornsteinanlage ab und trug insbesondere auch nichts dazu vor, dass die angezeigten Mängel eine vollständige Neuherstellung der Schornsteinanlage erforderten. Auch die Teilforderung insoweit bezieht sich aber auf fiktive Mangelbeseitigungskosten, deren Ersatz nach den Vorausführungen schon aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt. Die K hat gegen die BK1 auch keinen Anspruch wegen der Nichteinhaltung von vereinbarten Leistungsparametern des BHKW. Eine als Sachmangel zu qualifizierende Abweichung der Ist-Beschaffenheit des BHKW gegenüber der Soll-Beschaffenheit ist nicht feststellbar. Im Hinblick auf die Soll-Beschaffenheit war § 13 Abs. 2 Satz 5 ZVB einschlägig, wonach der Nachweis zugesicherter Eigenschaften während des Probebetriebes stattfinden sollte. Diese Regelung wurde durch § 15 Abs. 1 ZVB dahin ergänzt, dass im Falle der Unmöglichkeit des Nachweises im Probebetrieb der Leistungsnachweis innerhalb von vier Monaten nachzuholen sei, und durch § 15 Abs. 3 ZVB, aus dem sich ergab, dass der Auftragnehmer erst im Falle einer erfolglosen zweiten Nachbesserung schadensersatzpflichtig i.S.v. § 19 ZVB sei. In der Gesamtschau dieser vertraglichen Regelungen ergibt sich, dass eine Schadensersatzhaftung der BK1 allenfalls bezüglich des Nichterreichens des elektrischen Wirkungsgrades im Leistungsnachweis in Betracht kam. Die Schadensersatzregelungen für den Fall des Nichterreichens des thermischen Wirkungsgrades gingen mangels verbindlicher Festlegungen ins Leere. Zwar wurde anlässlich der förmlichen Abnahme festgestellt, dass der Leistungsnachweis des elektrischen Wirkungsgrades noch nicht erbracht worden und binnen vier Wochen nachzuholen sei. Die K hat jedoch selbst ein an sie gerichtetes Schreiben der BK2 aus September 1999 vorgelegt, wonach im August 1999 zunächst ein Test unzureichende Leistungswerte ergeben habe, es aber offenbleibe, ob hierfür technische oder meteorologische Einflüsse maßgeblich gewesen seien, während kurz danach ein weiterer Probelauf akzeptable Ergebnisse »als unterste Toleranzgrenze« erbracht habe. In der Zeit nach September 1999 folgte keine Anzeige eines Fehlens des Leistungsnachweises mehr, so dass der Senat in der Gesamtschau eine Erbringung des Leistungsnachweises über einen vertragsgemäßen elektrischen Wirkungsgrad feststellt.

 

 

Anmerkung

 

Im Zuge dieses sehr umfangreichen Urteils, mit dem das OLG zu einer Vielzahl von diversen Sach- und Rechtsfragen Feststellungen getroffen hat, die insgesamt sehr lesenswert sind, hat der Senat außerdem darauf hingewiesen, dass eine individualvertraglich vereinbarte Verjährungsfrist für Mängelansprüche nicht für den Fall des arglistigen Verschweigens von Mängeln gilt. Nach den Feststellungen im Urteil muss man sich aber auch ernsthaft die Frage stellen, ob die Klägerin einfach nur nicht optimal anwaltlich vertreten war oder ob sie beratungsresistent gewesen ist. Der Senat hat offenbar mehrfach darauf hingewiesen, dass das Klagebegehren auch nach der neueren, geänderten Rechtsprechung des BGH dazu, dass fiktive Mängelbeseitigungskosten nicht mehr durchsetzbar sind, keinen Erfolg haben kann. Gleichwohl hat die Klägerin ihren Klagevortrag im Hinblick darauf nicht geändert und auch die sich daraus ergebenden Ansprüche nicht geltend gemacht. Bei dem offenbar sehr hohen Streitwert ist das erstaunlich. Es ist schwer zu glauben, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin diese Änderung der Rechtsprechung und deren Konsequenzen nicht bekannt gewesen sind. Wenn doch, wäre es aber seine Pflicht gewesen, sich jedenfalls nach dem Hinweis des Senats damit zu befassen und bei der Klägerin auf eine Abänderung ihrer Anspruchsstellung zu dringen. EMMP

 

(Quelle: Bausachverständige Heft 2 2024)